
Gastbeitrag von Emma Wolff:
Unwissenheit schürt Ängste.
Noch mehr ist das der Fall, wenn es sich um Besonderheiten, Behinderungen und Krankheiten handelt die nicht sofort sichtbar sind. Einer der Gründe, wieso mir Aufklärung immer so sehr am Herzen liegt, um für Verständnis zu sorgen und Ängste zu mindern. Asperger – Autismus und Fibromyalgie gehören in und zu meinem Leben. Beides wird in dieser Gesellschaft nicht akzeptiert, da beide Andersartigkeiten die meiste Zeit nicht greifbar, nicht sofort sichtbar sind. Demzufolge möchte man sich auch nicht damit auseinandersetzen, vor allem weil es den einzelnen ja nicht betrifft.
© by Emma Wolff (8.2.2013)
Ja, die Betroffenheit und die Fibromyalgie. Sollte es mal der Fall sein, dass die Fibro in einer ihrer Symptome einmal sichtbar ist, wie z.B. die Schmerzschübe oder starkes Zittern, neben den chronischen Schmerzen, die nie vergehen, dann möchten viele am liebsten die Augen verschließen, da das Leid und der Schmerz sichtbar wird. Jedoch macht es in meiner Umgebung den Mitmenschen noch mehr Angst, wenn ich dann immer noch lachen kann. Ja, sogar Witze über die Fibro, mich und das Leben reiße. Das ist ein Paradoxum, welches in den Köpfen nicht zusammenpasst.
Natürlich gibt es Momente in denen man einfach nur noch weinen möchte, weil man so verzweifelt ist und eigentlich Hilfe braucht, weil der Schmerz unerträglich erscheint und die Ungeduld die Vergänglichkeit des Schubes nicht beenden möchte. Im Laufe der Zeit habe ich mir Strategien für den Notfall zurechtgelegt und gelernt mit der jeweiligen Gegebenheit zu leben ohne auch psychisch zu leiden.
Ein Leben, welches auf die eigene Achtsamkeit ausgerichtet ist. Jeden Morgen stelle ich mir die drei Fragen, „Was muss ich? Was will ich? Was kann ich?“ Die dritte Frage deswegen, damit ich objektiv bleibe, denn nicht alles was ich möchte, lässt sich immer aus körperlichen Gründen realisieren.
Grundsätzlich heißt es aber zu schauen, was tut mir gut und was nicht. Dementsprechend versuche ich alles zu vermeiden, was mir nicht gut tut, so weit es möglich ist. Mal von vielen Aktivitäten abgesehen, die aus körperlichen Gründen nicht gehen, zieht man sich doch mehr zurück und lässt auch nur noch bedingt Menschen an sich heran. Meist sind das Menschen denen man nicht nur vertrauen kann, sondern jene die nur minder ein Problem mit den Defiziten haben, deren Mitleid nicht in Hilflosigkeit endet und die keine Angst davor haben. Menschen die dann einfach Handeln.
Natürlich steht außer Frage, das diese Situation für sie eine Belastung ist, weil man gerne mehr tun möchte. Es ist dann sehr schwer sich vorzustellen, das sie mir eine große Hilfe sind, wenn man in den Phasen der räumlichen Isolation durch zu starke Schmerzen, einfach mal ein gutes Gespräch führen kann oder jemanden mit mir geduldig die Straße entlang schleicht, da es schneller nicht geht. So absurd das klingen mag, aber Bewegung hilft. Für 300 m brauche ich zwar dann eine halbe Stunde aber es tut der Seele gut und dem Körper sowieso, da die Steifheit ausfallen kann.
Solch ein Ausflug führt zu einem weiteren gesellschaftlichen Problem, vor allem wenn ich es alleine bewältige. Je Gleichmütiger ich in solch einer Phase werde, wofür ich unendlich dankbar bin, um so schwieriger werden die Blicke und verbalen Ausfälle meiner Mitmenschen. Das ist etwas was man nicht sehen möchte und deswegen soll ich am besten hinter verschlossenen Türen bleiben. Selbst wenn ich mir meine Einkäufe nach Hause liefern lasse, darf ich mir auf Grund meines Alters noch Rechenschaft ablegen, warum ich dies nicht nach Hause trage, obgleich ich es nur mit Gehhilfen in den Laden geschafft habe. „Du bist doch Jung, da wirst du das doch alleine tragen können.“ Mittlerweile gehe ich nicht weiter darauf ein, weil ich mir im Laufe der Jahre klar geworden ist, das es alleine nur die Angst und das Unverständnis ist die solche Sprüche zu Tage bringt, oder auch Spot und Hohn ernte, wenn ich nicht anders kann.
Die Angst vor der eigenen Hilfebedürftigkeit und den Schmerzen zu groß ist.
Viele möchten sich auch nicht weiter damit auseinandersetzen und verschließen die Türen. Die Hilflosigkeit und Angst wollen sie nicht ertragen. Man möchte sich nur an den schönen Dingen des Lebens erfreuen und nicht das Leiden vor Augen haben. Somit ist jemand wie ich, der dann unter Schmerzen versucht zu laufen, dieses mit Müh und Not hinbekommt, das wandelnde Leid. Das Lachen und die witzigen Gegebenheiten können nicht mehr wahrgenommen werden.
Wobei in meinen Augen das eine nichts mit dem anderen zu tun hat. Das eine ist eine körperliche Behinderung, die sich auch wieder in einem gewissen Rahmen normalisiert, obgleich es bei weitem nicht so ist wie vor 10 Jahren. Das andere ist die Psyche, das menschliche Wesen in der Hülle, welche Krank ist und dieses möchte ein würdiges Leben führen. Dies ist aber nur für sich allein möglich. Ständige muss man sich noch rechtfertigen, warum alles so ist wie es ist, warum nichts mehr so ist wie es mal war und warum alles unberechenbar ist, da ein Schub sich nicht ankündigt.
Selbst wenn man sich öffnet und in einer stoischen Ruhe erklärt was los ist, wird an der eigenen Person gezweifelt, denn vor Jahren funktionierte es mal. Da man diese Behinderung nicht greifen kann, wird man als Spinner oder depressiver Mensch abgetan. Ich soll mich doch nur mal ein bisschen zusammenreißen, obgleich man täglich über seine körperlichen Grenzen geht, wenn man ein einigermaßen normal gestalteten Alltag erlebt und am Morgen nicht weiß, was für ein Eigenleben der Körper am Abend entwickelt.
„Nimm die Krankheit nicht einfach an, sondern kämpfe gegen sie an.“ Das wäre aber ein Kampf gegen mich und meiner Selbst.
Ich habe in den letzten Jahren viel über mich und das Leben lernen dürfen. Habe Mut für neue Wege gewonnen, da ich lernte mit dieser Situation zu leben und das ich keine Angst haben brauche, auch wen es meinen Mitmenschen schwer fällt zu akzeptieren. Nur das ist deren Problem und am Ende ist es auch traurig, das ich so denken muss, da dieser ganze Kreislauf noch mehr isoliert, als es sonst schon der Fall ist.
Am Telefon sage ich oft nicht einmal mehr wie es mir geht, damit nicht gleich wieder aufgelegt wird. Natürlich möchte ich dann auch nicht über die Gegebenheit reden, doch ich möchte wenigstens auf diesem Wege noch etwas am Leben außerhalb meiner vier Wände mitbekommen. Das geht aber nur wenn ich schweige.
Der Kreis von Menschen um mich herum ist sehr klein geworden. Somit sind können dann Worte wie, „Ach dann lege ich lieber wieder auf und wir können dann wieder telefonieren, wenn es dir besser geht.“, verletzend sein, ohne das es in der Absicht des anderen lag. Selbst, wenn man versteht, das es zum Teil die Hilflosigkeit ist und man damit gesagt bekommt, „Wir wollen das du ganz schnell wieder gesund wirst und dich bis dahin schonst.“, so schmerzt es dennoch. Ohne ungerecht und undankbar zu wirken, denn das bin ich in keiner Weise, nur ‚Wer soll geschont werden?’ Das nicht damit auseinandersetzen wollen mit der Gegebenheit, die Ängste, die eigene Hilflosigkeit oder wirklich ich?. Um so unverständlicher ist dann die Tatsache, wenn ich darum bitte, mich dennoch auf diese Weise weiter mit teilhaben zu lassen. Trotz der körperlichen Defizite in dem Moment, kann ich mich noch wunderbar an den Schönen Dingen des Lebens erfreuen und bin dann sogar noch dankbarer für alles erleben, als es so schon ist.
Damit ich diese Verletzung nicht mehr erleben und diese Erklärungen nicht mehr abgeben muss, sage ich es eben nicht mehr.
Da ich diese Menschen, die einen Platz in meinem Herzen haben, in keiner Weise in Bedrängnis bringen möchte, gehe ich ständig über meine Grenzen, denn ihre Angst der Hilflosigkeit schwingt unbewusst immer mit und dieses Erleben möchte ich ihnen ersparen. Ich möchte ihnen dieses Miterleben ersparen und mir die Verletzung, die daraus entstehen könnte.
Ein Leben mit der Fibromyalgie und auch ein Leben mit Autismus, sind in dieser Gesellschaft mit einem Teufelskreislauf verbunden. Das, was all diese Betroffenen brauchen sind nicht Mitleid. Sie brauchen Akzeptanz der Gegebenheiten und des Lebens, welches immer Individuell ist. Es ist aber noch ein langer Weg dahin, selbst bei allen Integrations- und Inklusionsgedanken die in dieser Gesellschaft erwünscht sind. Es beginnt bei der Akzeptanz, das nicht alle gleich sind und jeder Mensch nicht das selbe leisten kann. Nur diese Akzeptanz wird erst entstehen, wenn die Menschen aufhören zu vergleichen, zu bewerten und zu urteilen und beginnen sich mit sich selber, den Ängsten, dem Leben und der Vergänglichkeit all dessen bewusst auseinandersetzen. Bis dahin wird es weiterhin Unverständnis, Demütigung, Ausgrenzungen und Isolation eines jeden der etwas anders ist geben.
Auch wenn mein Wunsch ein anderer ist, ich jeden Tag aufs Neue dagegen ankämpfe, in dem ich mein Leben lebe und für mich persönlich meinen Frieden mit und in diesem Ganzen gefunden habe, so ist dies aber die klare und traurige Erkenntnis die ich erhalte, in einem Leben mit Fibromyalgie und das Mitleben von Autismus.
© by Emma Wolff (8.2.2013)