Die Bedeutung von vielleicht

Gedanken einer Asperger-Autistin
über die Schwierigkeit im Umgang  mit dem Wort „vielleicht“ 

Es gibt im Sprachgebrauch einige Wörter, deren Bedeutung mir grundsätzlich rätselhaft ist.
In diese Kategorie fällt zum Beispiel das Wort „vielleicht“.
Menschen benutzen es, wenn sie sich nicht festlegen möchten oder wenn ein bevorstehender Termin noch nicht feststeht.
Es heißt also weder „Ja“ noch „Nein“, sondern schwebt irgendwo dazwischen.
Und genau darin liegt das Problem.
Dieses so häufig benutzte Wort schafft Unsicherheit, weil es ein Ereignis unvorhersehbar macht und mich vor die schwierige Frage stellt, wie ich damit umgehen soll.
Ich brauche eindeutige Aussagen und feste Termine, um meinen Alltag strukturieren zu können. Ein „vielleicht“ lässt sich in diese Struktur nicht einbauen, es verhindert Struktur und Vorhersehbarkeit oder zerstört sogar bereits vorhandene Strukturen.

Sich mit einem „Vielleicht“ auseinander zu setzen, verlangt Flexibilität und genau die fehlt mir.
Ich verstehe nicht, wie Menschen es schaffen, Ereignisse einfach auf sich zukommen zu lassen, ohne einen genauen Plan zu erstellen und mögliche Ungewissheiten auszuschließen.
Ein „Vielleicht“ setzt somit auch die Fähigkeit voraus, kurzfristig und spontan Entscheidungen treffen zu können. Für die meisten Menschen mag das selbstverständlich sein, mir bereitet es große Schwierigkeiten und setzt mich einem massiven Druck aus.
Ein Ereignis, welches nur vielleicht stattfindet, ist für mich nicht (be)greifbar.
Um es begreifbar zu machen, gehe ich in Gedanken alle Möglichkeiten inklusive der daraus entstehenden Änderungen im Tagesablauf immer wieder durch. Dieser Vorgang ist aber so, als versuchte ich, ein Programm zu starten, dessen Software nicht vollständig installiert wurde und das infolgedessen nicht ausgeführt werden kann, sondern immer einen Neustart erforderlich macht.

Ich brauche konkrete Daten, um einen Vorgang abspeichern zu können.
Häufig lässt sich ein „Vielleicht“ nicht einfach ein ein „Ja“ oder „Nein“ umwandeln, sondern bleibt ein Wort mit vielen Interpretationsmöglichkeiten und der Option, sich auch noch kurzfristig entscheiden zu können. Aber gerade diese Option macht mir den Umgang mit dem Wort so schwer, obwohl es ein „leicht“ enthält. Ich möchte nicht, dass mich jemand vielleicht in der nächsten Woche besuchen kommt, sondern genau wissen, ob und wann dieser Besuch stattfindet, weil ich mich darauf vorbereiten und ihn in meine Planung einbeziehen muss, damit die Tagesstruktur rechtzeitig angepasst werden kann und nicht durcheinander gerät.
In einem solchen Fall würde ich die betreffende Person so lange fragen, ob und wann sie zu Besuch kommt, bis ich eine verbindliche Antwort bekomme und der entsprechende Tag durch den Einbau eines festen Termins seine neue, abgeänderte Struktur erhält oder die Person ihren Besuch absagt, weil sie sich durch meine ständige Fragerei genervt fühlt, die lediglich Ausdruck meiner Verunsicherung ist, solange Dinge nicht ihren festen Platz haben.
Ein „Vielleicht“ beinhaltet somit auch das Risiko möglicher Missverständnisse.
Auf jeden Fall ist es ein Wort, dem ich möglichst aus dem Weg gehe und dessen Anwendung im Sprachgebrauch ich vermeide.

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