Gedanken einer Asperger-Autistin über die Abhängigkeit von Akzeptanz und Anpassung
Akzeptieren kommt aus dem Lateinischen (accipere) und bedeutet „annehmen“.
In Bezug auf den Menschen heißt das dem Ursprung des Wortes nach, ihn so anzunehmen, wie er ist. Mit seinen Stärken und Schwächen. Leider habe ich selber die Erfahrungen machen müssen, dass Anderssein häufig nur unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiert wird. Eine dieser Voraussetzungen ist die soziale Anpassung.
Doch Akzeptanz, die Bedingungen stellt, entbehrt jeglicher Grundlage.
Wenn ich nur akzeptiert werde, in dem ich mich einer Gemeinschaft anpasse, zeigt mir das ganz deutlich, dass ich, so wie ich bin, nicht akzeptiert werde.
Warum aber muss ich so sein wie alle anderen innerhalb einer Gemeinschaft, um akzeptiert und nicht zur Außenseiterin zu werden?
Anpassung bedeutet auch immer Einschränkung von Individualität. Im Extremfall kann sie sogar zum Verlust der eigenen Identität führen, da sie gleichzeitig Zurücknahme und permanente Unterdrückung eigener Verhaltensweisen, Vorstellungen und Wünsche ist.
Meine Vergangenheit war geprägt von Anpassung. Ich musste und ich wollte so sein wie die anderen, um nicht aufzufallen und um dazuzugehören. Aber je älter ich wurde, desto schwerer fiel es mir, dem enormen Anpassungsdruck standhalten zu können. Ich drohte daran zu zerbrechen und suchte mir Hilfe in Form einer Therapie, zu deren Beginn eine Autismusdiagnostik durchgeführt wurde.
Durch die Diagnose Asperger-Syndrom bekommt mein Anderssein einen Namen und wird begreifbar. Sie hilft mir, mich und mein Anderssein endlich annehmen zu können.
Gleichzeitig ist sie aber auch Anlass, mich mit meiner permanenten Anpassung in der Vergangenheit und ihren Folgen intensiv auseinanderzusetzen und mir die Frage zu stellen, welchen Weg ich heute gehen möchte. Ich stehe erst ganz am Anfang und spüre doch, wie sehr ich mich bereits verändert habe. Mein soziales Umfeld reagiert darauf zunehmend irritiert, weil ich nicht mehr der Mensch bin, den sie zu kennen glaubten. Plötzlich fällt mein Verhalten auf.
Dabei bin das endlich ich, eine Asperger-Autistin, die gerade begonnen hat, sich selber kennenzulernen und ihr Anderssein nicht mehr in Frage zu stellen. Ich möchte nicht, dass mein Alltag weiterhin bestimmt wird von permanenter Anpassung, die lediglich den Zweck erfüllt, nicht aufzufallen und innerhalb des sozialen Umfeldes zu funktionieren.
Anpassung sollte auch nie ein einseitiger Prozess der Verhaltensänderung sein.
Ein Entgegenkommen beider Parteien empfinde ich hier genauso wichtig wie bei der Akzeptanz. Ich kann nicht verlangen, akzeptiert zu werden, so, wie ich bin, wenn ich im Gegenzug nicht bereit bin, den anderen in der gleichen Weise anzunehmen. Ebenso wenig kann ich von einem Menschen erwarten, dass er sich ständig meinen Vorstellungen entsprechend in seinem Verhalten anpasst, wenn ich dies selber für mich als nicht notwendig erachte.
Eine solche Einseitigkeit führt immer zu einem Ungleichgewicht in einer sozialen Beziehung, das den Menschen, der sich anpasst, enorm unter Druck setzt, da sich dieser bewusst ist, dass eine Akzeptanz innerhalb dieser Beziehung nur so lange bestehen wird, wie er bereit ist, sich anzupassen. Ändert er sein Verhalten plötzlich weg von der Anpassung, muss er damit rechnen, von der Gemeinschaft abgelehnt und im schlimmsten Fall ausgeschlossen zu werden.
Kann eine Akzeptanz innerhalb einer Gemeinschaft demnach nur erfolgen, wenn Verhalten und Sein gruppenkonform ist? Hieße das nicht auch, dass Anderssein unter dieser Voraussetzung grundsätzlich nicht erwünscht ist?